Vermehrung, Zertifizierung und Vermarktung

Landwirtschaftliches Saatgut und Pflanzkartoffeln

Saat- und Pflanzgut ist die Grundlage der Lebensmittelerzeugung. Deshalb unterliegen Erzeugung und Vermarktung strengen gesetzlichen Anforderungen. Für alle Arten, die für die Ernährung oder Weiterverarbeitung wichtig sind, ist eine offizielle Zertifizierung, auch Anerkennung genannt, vorgeschrieben. Nicht zertifiziertes Saatgut darf demnach nicht gehandelt, sondern nur auf dem eigenen Betrieb verwendet werden. Die Verwendung nicht zertifizierter Pflanzkartoffeln ist aus pflanzengesundheitlichen Gründen komplett untersagt.

Das Erzeugen von Saat- oder Pflanzgut wird auch Vermehrung genannt. In Luxemburg sind etwa 150 landwirtschaftliche Betriebe auf rund 3.200 Hektar in diesem Spezialgebiet aktiv. Die Erzeugung von Pflanzkartoffeln sowie von Getreide- und Futterpflanzensaatgut hat hierzulande eine lange Tradition. Bei Saatgetreide (2.000 Hektar) dominieren die Arten Winterweizen, Wintertriticale, Wintergerste, Sommergerste und Sommerhafer. Im Bereich Futterpflanzen (850 Hektar) wird vor allem Grassamen erzeugt, hauptsächlich Welsches und Jähriges Weidelgras sowie Wiesenlieschgras. Pflanzkartoffeln werden auf rund 350 Hektar vermehrt. Seit ein paar Jahren gibt es ebenfalls eine kleine Produktion von Saatgut von Gemüse sowie von Wildpflanzen für sogenannte Erhaltungsmischungen. Ein großer Anteil der Produktion von Saat- und Pflanzgut wird exportiert, auch über Europas Grenzen hinaus.

Zulässig zur Vermehrung von landwirtschaftlichen Kulturarten sind ausschließlich Sorten, die in der Nationalen Sortenliste eingetragen sind.

Zertifiziertes Saat- und Pflanzgut muss strengen gesetzlichen Anforderungen entsprechen, damit keine negativen Auswirkungen für Produktqualität, Wirtschaftlichkeit und Pflanzengesundheit entstehen. Davon profitieren die Verbraucher von Saat- und Pflanzgut, in erster Linie Landwirte und Gärtner, aber auch die Konsumenten von landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Produkten. Rechtsgrundlage ist das Saatgutverkehrsgesetz, dessen Ausführungsreglemente europäische Richtlinien umsetzen.

Vermehrung

Die Vermehrungsbetriebe erhalten von VO-Firmen (Vermehrungs-Organisationen) oder direkt von den Züchtern sogenanntes Vorstufen- oder Basissaatgut. Von diesem Ausgangsmaterial können mehrere Generationen vermehrt werden. In Luxemburg gibt es vier VO-Firmen, davon zwei landwirtschaftliche Genossenschaften. Sie arbeiten mit Vermehrungsbetrieben unter Vertrag, besitzen eigene Aufbereitungsanlagen und kümmern sich um die Vermarktung.

Die einzelnen Generationen von Saat- oder Pflanzgut werden in Kategorien und Klassen unterteilt. Aus Vorstufensaatgut entsteht demnach zuerst Basis- und schließlich Zertifiziertes Saatgut. Letzteres wird an die Endverbraucher verkauft. Für jede Kategorie und Klasse gibt es gesetzlich festgelegte Qualitätsanforderungen.

Zertifizierung

Die Zertifizierung erfolgt durch die ASTA und beruht auf strengen Kontrollen. Sie bietet dem Käufer von Saat- und Pflanzgut Garantien bezüglich Sortenidentität, Pflanzengesundheit und technischer Qualität. Alle Schritte der Herstellung sind lückenlos rückverfolgbar. Die europaweite Harmonisierung der Regeln und Normen ermöglicht einen freien Handel innerhalb der EU und mit zahlreichen Partnerstaaten.

Die EU-Richtlinien sehen vor, dass die Beprobung und die Untersuchung von Saatgut nach international gebräuchlichen Methoden durchgeführt werden. In Europa sind dies die Methoden und Regeln der Internationalen Vereinigung für Saatgutprüfung ISTA.

Für den Handel von Saatgut mit Drittstaaten bestehen neben zahlreichen Gleichstellungsabkommen zusätzlich das Saatgutsystem der OECD und die internationalen Handelsnormen für Pflanzkartoffeln der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa UNECE.

Feldanerkennung

Die Vermehrungsbetriebe müssen die Felder, auf denen sie Saatgut oder Pflanzkartoffeln vermehren, zu einem amtlich festgelegten Termin bei der ASTA anmelden.

Sie werden mindestens einmal zu einem bestimmten Zeitpunkt während der Vegetationsperiode begutachtet. Geprüft werden:

  • Angaben der Anmeldung
  • Allgemeiner Zustand des Bestandes
  • Entfernung zu Nachbarkulturen, die sich mit der zu vermehrenden Kultur kreuzen könnten
  • Sortenechtheit und Sortenreinheit
  • Vorhandensein von anderen Kulturpflanzen
  • Vorhandensein von Problem-Unkräutern
  • Vorhandensein von Schaderregern und Pflanzengesundheit

Nach erfolgreicher Feldanerkennung kann die Ernte zu Saat- oder Pflanzgut weiterverarbeitet werden.

Beschaffenheitsprüfung

Die Ernte wird in spezialisierten privaten oder genossenschaftlichen Einrichtungen erfasst und muss fachgerecht gelagert werden, damit die Qualität erhalten bleibt. Die Aufbereitung besteht aus einer Reinigung mittels spezieller Vorrichtungen. Bei Saatgut werden Staub, Steine, fremde Arten, Schrumpfkorn, Unkrautsamen und Mutterkorn entfernt. Pflanzkartoffeln werden von faulen, kranken und beschädigten Knollen getrennt und je nach Kaliber sortiert. Die aufbereitete Nettoware wird in Lose eingeteilt. Jedes Los erhält eine Identifizierungsnummer und wird amtlich oder unter amtlicher Aufsicht beprobt. Die Beschaffenheit der Proben wird im Labor der ASTA untersucht. Saatgut wird hinsichtlich Keimfähigkeit, Reinheit, Fremdbesatz und Feuchte getestet. Bei Pflanzkartoffeln liegt der Schwerpunkt auf einem eventuellen Befall mit Viren oder Bakterien.

Nachkontrollanbau

Von jedem Los Pflanzkartoffeln wird im Folgejahr eine Probe von je 100 Knollen in einem sogenannten „Nachbaufeld“ ausgepflanzt und amtlich bewertet. Das Gleiche gilt für Vermehrungslose, die aus dem Ausland stammen. Beim Getreide wird das anerkannte Basissaatgut aus nationaler Produktion sowie zugekauftes Vorstufen- und Basissaatgut ebenfalls im Nachbaufeld geprüft. Diese Nachkontrolle dient neben einer Qualitätsprüfung auch zur Evaluierung des Zertifizierungssystems sowie zur Schulung der Anerkenner.

Etikettieren und Verschließen

Bevor das Saat- und Pflanzgut auf den Markt gelangen darf, werden noch diverse Endkontrollen durchgeführt. Bei Pflanzkartoffeln wird z. B. der Anteil fauler, beschädigter und kranker Knollen stichprobenmäßig von der ASTA geprüft.

Erst wenn alle Etappen mit Erfolg abgeschlossen sind, werden die Verpackungen verschlossen oder mit amtlichen Siegeln versehren sowie mit offiziellen Etiketten gekennzeichnet. 

Je nach Kategorie und Klasse hat das Etikett eine bestimmte Farbe. Das Farbschema und die erforderlichen Angaben sind europaweit einheitlich geregelt. Bei Zertifizierten Pflanzkartoffeln der Klassen A und B, sowie bei zertifiziertem Saatgut der 1. Generation (R1) sind die Etiketten blau.

Auf dem Etikett sind die Herkunft des Saatgutes, die verantwortliche Anerkennungsbehörde sowie partiebezogene Angaben aufgedruckt:

  • EG-Regeln und Normen oder OECD-Saatgutschema
  • Verantwortliche Anerkennungsstelle
  • Erzeugerland
  • Kategorie und Klasse
  • Art
  • Sorte
  • Losnummer
  • Gewicht der Verpackungseinheit oder Anzahl keimfähiger Samen
  • Verwendetes Beizmittel
  • Monat und Jahr des Verschließens / der erneuten Bestimmung der Keimfähigkeit

Fakultativ können bei Saatgut das Tausendkorngewicht und die Keimfähigkeit, bei Pflanzkartoffeln auch der Bodentyp angegeben werden.

Jedes Etikett trägt eine laufende Nummer und seine Verwendung wird dokumentiert, um Missbrauch und Fälschungen zu verhindern.

Das offizielle Etikett ermöglicht die vollständige Rückverfolgung des Herstellungsprozesses. Es soll deshalb bis zur Ernte aufbewahrt werden.

Saatgutmischungen

Die Gesetzgebung sieht vor, unter welchen Bedingungen Mischungen von Saatgut verschiedener Arten und Sorten hergestellt und vermarktet werden dürfen. Die Komponenten müssen im Voraus anerkannt worden sein. Mischungen werden mit einem grünen Etikett gekennzeichnet. Zwei VO-Firmen Saatgutmischungen für Grünland (Neuanlage oder Verbesserung von Wiesen und Weiden), Feldfutter oder Begrünungszwecke her. Die Kontrolle der Herstellung von Saatgutmischungen unterliegt ebenfalls der ASTA.

Vermarktung

In Luxemburg gibt es einen regen Saatguthandel, sowohl für professionelle Anwender als für den Hobbybereich. Neben den Erzeugnissen aus der nationalen Produktion sind große Mengen an Saat- und Pflanzgut aus anderen Mitgliedstaaten in Luxemburg erhältlich. Von vielen wichtigen Kulturpflanzen, z. B. Mais und Raps wird kein Saatgut in Luxemburg erzeugt, es wird aus dem europäischen Ausland oder Drittstaaten zugekauft. Auch bei Gemüsesaatgut gibt es nur eine kleine nationale Produktion, ein Unternehmen ist aber auf die Abfüllung und den Vertrieb von Kleinpackungen spezialisiert.

Qualitätskontrolle

Die Saat- und Pflanzgutverordnungen schreiben Qualitätskontrollen des vermarkteten Saat- und Pflanzguts mittels Stichproben vor. Für diese Saatgutverkehrskontrolle wird jährlich ein Kontrollplan erstellt, der auf einer Risikoanalyse beruht. Ziel ist es, das Inverkehrbringen von qualitativ minderwertigem Saat- und Pflanzgut zu unterbinden. Des Weiteren ermöglicht diese Kontrolle, das Zertifizierungssystem zu evaluieren.

GVO-Monitoring

Saatgut von Mais oder Raps, das aus EU- oder Drittstaaten nach Luxemburg eingeführt wird, wird mittels Stichproben auf Verunreinigungen mit GVO (gentechnisch veränderten Organismen) untersucht. Die Analysen werden im Labor des nationalen Gesundheitslaboratoriums LNS durchgeführt.

Pflanzgut von Gemüse-, Obst- und Zierpflanzen

Die Produktion und die Vermarktung von Vermehrungsmaterial von Obstarten zur Fruchterzeugung, von Gemüse-Jungpflanzen und von Zierpflanzen sind gesetzlich geregelt.

Hauptziele dieser Reglementierung ist die Gewährleistung höchstmöglicher Standards bei der Qualität, der Pflanzengesundheit, sowie bei der Sortenidentifikation. Ganz besonders im professionellen Obstbau können ein schlechter phytosanitärer Zustand oder fehlerhafte Sortenangaben bei Pflanzmaterial über Jahre hinweg ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen.

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